Alles fing mit einer Liste voller merkwürdigen Materialien an, die ich für eine Aktion der Bergfalken zusammenstellen sollte. Als neuer FSJler in der JDAV Mainz gehört auch das zu meinen Aufgaben. Doch diesmal weckten Dinge wie „Bandschlingen“ und „Schraubenkarabiner“ meine Neugier für den Zweck dieser Materialien, die wir für die Outdoor-Gruppenstunde an der Kaiserbrücke benötigten. Selbst das mühsame Suchen im Materiallager nach all dem Kram ließ meine euphorische Stimmung nicht kippen.
Gerade am Pfeiler der Kaiserbrücke in Mombach angekommen, rief Leonard:„ Hey Jakob, gib mal die Bandschlingen rüber!„ Wie sehen die aus? „ antwortete ich. Immer noch war mir nicht klar, was da aufgebaut wurde. Doch die Jugendleiter*innen hatten einen Plan.
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. „Aber wir klettern doch da nicht hoch? Das sind bestimmt 20 Meter. „ fragte ich in die Runde und erntete spöttische Blicke. Na klar kletterten wir da hoch. Das nennt man buildern und das kann man in Mainz an unterschiedlichen Stellen, wurde ich aufgeklärt. Wie konnte ich vergessen, dass ich mich ja bei meinem FSJ für einen „Kletterverein“ entschieden hatte. Die Bergfalken hatten die Aktion schon lange geplant und ich konnte als „Neuer“ dabei sein.
Als die Gruppenkids eintrafen wurden die Routen im Schwierigkeitsgrad IV bis VII begutachtet und ein paar Regeln festgelegt. Ich durfte unter Aufsicht sichern und beobachtete zuerst das Treiben der Gruppenkids. Im Prinzip gab es für mich fünf verschiedene Möglichkeiten:
- den Pfeiler frontal klettern
- den Pfeiler von der Seite klettern ( schwieriger)
- den Pfeiler vom Rheinufer klettern ( noch schwieriger ) und
- den Torbogen klettern oder auch die „Todesroute“, wie ich sie liebevoll taufte.
Die Gruppenkids begannen sofort alle Routen auszutesten. Mühelos kletterte einer nach dem anderen den kompletten Pfeiler hoch. Geflucht wurde über das Rieseln des Sandsteins. Gerade bei der “Todesroute“ verblüffte mich das Wissen der Jugendleiter*innen, welche diese Route wegen des Pendeleffekts mit zwei Seilen absicherten.
Selbst nachdem ich die Kids beim Meistern der Routen beobachtet hatte, war mein mulmiges Bauchgefühl noch nicht weg. Gegen Ende dieser mal anderen Gruppenstunde hatte sich eine Schlange vor der „Todesroute“ gebildet. Alle wollten den Torbogenaustesten und sehen, wie weit es geht. Die Euphorie steckte mich an und ich wollte mein Glück dort auch mal versuchen. Dennoch blieb etwas Angst, die sich auch nicht dadurch verbesserte, dass meine Sicherung von einem Kletterer gecheckt wurde, der weitaus jünger war als ich. Doch alle Gruppenkids sind was das Klettern und Sichern betrifft im Verhältnis zu mir Experten und ich kann von ihnen lernen.
Als ich loslegen wollte wurden meine Sorgen größer, weil ich neben diesen „Profis“ als Anfänger erbärmlich aussehen würde. In der Situationen dachte ich mir: Simuliere eine Migräne ! Den passenden Gesichtsausdruck hatte ich schon. „Nein, nicht heute ! „dachte ich mir . Entschlossen ließ ich mich ins Seil einbinden, denn den Knoten beherrsche ich noch nicht. „Du bist stärker als der Torbogen„ sagte ich mir immer wieder. Die Realität hat mich eingeholt. Meine Fähigkeiten reichen noch nicht aus. Auch ich bin aus der Route rausgeflogen, wie fast alle vor mir, nur ein wenig früher. Ich fand, nicht schlecht für einen Newcomer. Nach dem Motto des Alpenvereins: „Der Weg ist das Ziel“, habe ich ja Zeit, an mir zu arbeiten.
Nicht nur mir, auch den Bergfalken hat die Aktion gefallen und es ist eine Wiederholung an einem anderen Objekt geplant.
Teilnehmer: Lea, Jana, Katharina, Theresa, Josefine, Johannes G., Johannes W., Henri, Oskar, David, Conrad, Yannic, Leonard, Raoul, Ellen und Jakob.
Text: Jakob Böcking/Ellen Müller-Taschinski
Fotos: Julia Jensen-Spanier