Kid-Rocks I im Wilden Kaiser

Ein regnerischer Tag am Walchsee in Tirol. Der See ist von Wolken verhangen, aufgepeitscht von den prasselnden Regentropfen. Der Campingplatz ist selbst von den hartgesonnensten Wasserratten verlassen. Jeder hat Zuflucht in Wohnmobilen oder Zelten gesucht. Nur eine Gruppe steht noch auf dem matschigen Rasen. Die Jugend des Mainzer DAVs. Die Freitagsgruppe hat es erfolgreich geschafft den Pavillon aufzubauen, auch wenn eine Ecke im Komposthaufen abgestützt werden muss, und sortiert nun Heringe, Stangen und Planen. Während die ersten Zelte aufgebaut werden, regnet es weiter und weiter, alles ist nass und müde von der fünfeinhalbstündigen Autofahrt. Die Stimmung hätte eigentlich in bodenlose Tiefe sinken müssen. Doch trotz des Regens, des notdürftigen Unterstands und der Aussicht auf eine Woche, deren weitere Tage nicht besser als der erste sein könnten, zeigt sich auf jedermanns Gesicht ein Lächeln. Schließlich haben wir es geschafft. Unsere kleine Zeltstadt steht. Ein 8-Mann Zelt, ein 3-Mann (Frau) Zelt und ein 2-Mann Zelt. Die elf abenteuerlustigen Reisenden aus Mainz haben eine Unterkunft für die Nacht errichtet. Nach dem einigermaßen trockenen Einkauf in Deutschland gesellt sich die Gruppe unter dem Pavillion zusammen und isst die wohlverdienten Spaghetti mit Tomatensauce. Im Nachhinein betrachtet scheint der erste Tag nicht sehr vielversprechend. Doch ich glaube, dass kaum einer nur einen Augenblick lang gezweifelt hat, dass das eine unvergessliche Woche wird. 

Der Schlaf ist aus den Augen gerieben, die Frühstücksbrötchen sind im Bauch und die Rücksäcke geschultert. Es geht hinauf zum Zahmen Kaiser. Wir wissen, dass uns noch der Wilde Kaiser erwartet, doch schon der Anblick seines kleinen Bruders ist imposant. Der höchste Punkt dieses Massivs ist die Pyramidenspitze mit 1997m Höhe. Von eisigem Nebel umhüllt ruhen wir unsere Beine unter dem Schutz des Gipfelkreuzes aus. Der Klettersteig war zwar ein Kinderspiel, aber die Umgebung umso entschädigender. Nach dem Abstieg ins Tal und der Fahrt zum Campingplatz haben wir immer noch genug Kraft schwimmen zu gehen. Basti und Martin schaffen es sogar noch um den See zu joggen, denn schließlich schmecken Dosenravioli nach einem anstrengenden, erfüllten Tag gleich doppelt so gut. 

Sogar der Wettergott schien uns für die stramme erste Tour belohnen zu wollen, denn am nächsten Tag lugte schon bald die Sonne zwischen den Wolken hervor. Nach dem Abbau der Zelte und dem Packen der Rucksäcke fuhren wir nach Ellmau, um den Zahmen Kaiser herum direkt zum großen Bruder. Schon aus dem Tal sah man die schroffen Felsen und Geröllfelder, die majestätischen Wände und Gipfel. Nach dem kurzen, aber knackigen Aufstieg empfing uns die Gruttenhütte mit einem ganzen Lager für uns alleine. Jetzt schien die Sonne fast ständig und wir konnten der Versuchung nicht wiederstehen, den kleinen grünen Hügel hinter der Hütte zu erklimmen und beim Anblick der Hohen Tauern im Süden zu essen. Jana bewaffnete sich mit einer Gurke, die anderen mit Käse, Salami und Brot. Gut gelaunt verbrachten wir den Nachmittag um abends in den Genuss der Bergsteigerjause zu kommen. Noch am selben Abend planten wir die nächste Tour, hinauf zur Ellmauer Halt. Um 8 Uhr sollte es losgehen. Gereon, Raoul und Florian übernahmen die Führung durch Geröllfelder, über Leitern und Steige bis wir nach knappen drei Stunden den Gipfel, den höchsten Punkt des Kaisergebierges erreichten. Damit natürlich nicht genug. strammen Marsches ging es weiter. Über Kämme und kleine Gipfel, die Hand am Karabiner und am Fels, umringt von dieser atemberaubenden Kulisse von felsigen Wänden, imposanten Hängen und schroffen Felszacken. Leider konnten wir die geplante Tour nicht vollständig begehen, schließlich können sich auch so enthusiastische Bergeister wie wir mal verkalkulieren. Im Nachhinein ist es großes Glück gewesen, dass wir unseren Irrtum erkannt haben, denn auf dem Rückweg zur Hütte überraschte uns der Regen, was unsere wanderfreudigen Beine natürlich nicht störte. Trittsicherheit muss uns in die Wiege gelegt worden sein, denn wir schafften den für eine Stunde ausgelegten Abstieg in nur 20 Minuten. Die längste und anstrengendste Tour mit 10 Stunden Gehzeit und  2500 Höhenmetern lag hinter uns, und das Essen hatten wir uns redlich verdient. 

Marco und Julia führten die nächste Tour. Diesesmal ging es zur Hinteren Goinger Halt, über den Jubiläumssteig und durch das Ellmauer Tor. Vom Gipfel hatten wir einen fulminanten Blick auf den Zahmen Kaiser. Wir glaubten sogar München zu sehen. Bei der Brotzeit im Ellmauer Tor gewährten uns unsere Jugendleiter einen Einblick ins unerschöpfliche Sammelsurium von Bergsteigerwissen. Sie belehrten uns über Höhenmesser, Kompass und Kartographie. 

Wir alle waren traurig als wir am nächsten Tag absteigen mussten. Doch der darauffolgende Schwimmbadtag entschädigte reichlich. Nachmittags gings dann auf die Gaudeamushütte, wo wir unsere Nacht mit Trockenobst versüßten. Am Morgen aber nistete sich endgültig die schlechte Laune ein, die sich schon am ersten Tag hätte breit machen müssen. Es regnete Bindfäden und die vernünftigste Entscheidung schien uns abzusteigen und nach Mainz zurückzukehren. Traurig, aber mit einer gewaltigen Menge an Erlebnissen, Erfahrungen und Erinnerungen im Kopf bestritten wir die Heimfahrt. Ich glaube, alle haben diese kurze aber intensive Woche genossen. Ich zu meinem Teil würde sofort wieder mit der Freitagsgruppe aufbrechen! Mit Basti, Jana, Martin, Florian, Charlotte, Sophie, Gereon, Marco, Julia, Raoul und Jashar. Es war Fitness pur, vor allem für unsere Lachmuskeln.

Florian Zimmermann