Vom Allgäu ins Pitztal – Die Sektionsjugend beim Mainzer Wochenende auf der Kaunergrathütte

Seit zwei Jahren veranstaltet die Sektionsjugend vermehrt gruppenübergreifende Aktivitäten. Nach mehreren Ausfahrten nach Fontainebleau fand Anfang August die erste Mainzer Jugendgruppenwoche statt. Ein Woche lang erprobte sich eine bunt gemischte Gruppe in diversen alpinen Spielarten, von Alpin- über Sportklettern bis zum weglosen Besteigen von unbenannten Gipfeln:

Die Woche startete auf dem Prinz-Luitpold-Haus, das abgelegen im Hintersteiner Tal im Allgäu nur durch einen mühevollen Aufstieg zu erreichen ist. Eindrucksvoll erheben sich hinter der Hütte die Nordflanken der Fuchskarspitze und des Wiedemerkopf, die für ihre imposanten Verwerfungen und Auffaltungen im Kalk bekannt sind. Unter Kletterern ist das Prinz-Luitpold-Haus ein beliebter Stützpunkt für alpine Mehrseillängen-Touren. Auch wir planten verschiedene Routen an der Fuchskarspitze zu durchsteigen, allerdings wurden unsere Pläne von unbeständigem Wetter durchkreuzt. Zwei halbe Tage mussten wir notgedrungen in der Hütte ausharren, eine Besteigung der Fuchskarspitze kam nun nicht mehr in Frage. Also steuerten wir ein kleineres Ziel an: Inmitten der Balkenscharte zwischen Fuchskarspitze und Balkenspitze steht ein schroffer, spitzer Turm, schlicht „Balken“ genannt. Von Wind und Regen wurde der Balken über die Jahrtausende zu einer markanten Felsformation geformt. „Da müssen wir drauf!“, dachten wir und nutzten ein nachmittägliches Schönwetterfenster zur Besteigung. Der Balken erhebt sich etwa 20 Meter über die Balkenscharte und wird auf der Spitze von einem kleinen, absturzgefährdeten Holzkreuz geziert. Der im Führer angegebene Weg führt durch bröckeligen Kalk an rostigen Schlaghaken vorbei. Uns erschien demgegenüber eine bisher unbeschriebene Linie attraktiver, die zwar clean mit Friends, Schlingen und Keilen abzusichern war, aber dafür durch deutlich kompakteren Fels auf die Spitze führte. Bei überraschend viel Sonnenschein saßen wir allesamt auf dem engen und luftigen Gipfel und freuten uns, doch noch eine spannende Tour gemacht zu haben. Die durchstiegene Route tauften wir „Mainzer Diretissima“ (4-), in der Hoffnung, dass es eine Erstbegehung war.

Angesichts des schlechter werdenden Wetters stiegen wir noch am gleichen Tag ab und nächtigten in Füssen. Abends schwommen wir bei leichtem Regen und nebligem Bergpanorama im Alatsee. An zwei schief über den See gebeugten Kiefern entdeckten wir eine Baumschaukel, die wahrscheinlich von Einheimischen installiert wurde. Aus etwa acht Metern stürzten wir uns in die Bahn der Schaukel, die auf gleicher Höhe am anderen Baum befestigt war und fielen nach weitem Flug in den kristallklaren Bergsee.

Den folgenden Tag begannen wir im Klettergarten der unteren Schwanenseeplatte bei Füssen. Balance und eine gute Fußtechnik waren unbedingt notwendig, um auf den glatten Kalkplatten den Weg nach oben zu bestreiten. Für Kletterer, die sich vornehmlich an Plastikgriffen und –tritten üben, ist das immer wieder eine besondere Herausforderung!

Unsere Woche in den Bergen sollte mit dem Mainzer Wochenende auf der Kaunergrathütte enden. Nach der Kletterpartie fuhren wir also ins Pitztal und stiegen zunächst von Mandarfen zur Riffelseehütte auf, von wo aus wir am nächsten Tag über den Cottbusser Höhenweg zur Kaunergrathütte liefen. Wir erlebten den Kontrast zwischen Berghütten verschiedener Kaliber: Dass direkt neben der Riffelseehütte eine ganzjährig betriebene Bergstation steht, trägt sein Übriges zum Charakter der Hütte bei. Wir waren froh, als wir endlich in der Kaunergrathütte ankamen und die Ursprünglichkeit und Ehrlichkeit einer abgelegenen Berghütte fanden, die von Wirtsleuten mit Herz bewirtschaftet wird.

Wer in diesem Jahr am Mainzer Wochenende auf der Kaunergrathütte teilgenommen hat, dem wir aufgefallen sein, dass die Jugend auffallend zahlreich vertreten war. Unsere Gruppe traf dort auf weitere Mitglieder der JDAV. Außerdem waren eine E5-Wandergruppe von Peter Kaesehagen und Teile des Vorstandes anwesend, sowie einzelne Sektionsmitglieder.

Am Samstag des Mainzer Wochenendes brachten wir uns in Wartungsarbeiten an der Hütte und auf den von der Sektion betreuten Wegen ein. Wir tauschten Wegebeschilderung aus, bereiteten Brennholz vor und verrichteten kleinere Reparaturarbeiten. Großzügig erließ uns der Hüttenwirt im Tausch dafür die Übernachtungsgebühr!

Am Nachmittag hielt der Mainzer Pfarrer Dr. Günther Emlein die traditionelle Bergandacht. Die Andacht war ökumenisch und offen für Menschen jeder Konfession. Pfarrer Emlein stellte seine Predigt unter ein Zitat aus dem 17. Kapitel des Lukasevangeliums:

„Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! Der Herr aber sprach: ‚Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: ‚Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!‘, und er würde euch gehorchen.‘“

Emlein hielt seine Predigt mit einem ganzen Jahr Verspätung. Im Jahr zuvor „stolperte er“, wie er sagte, auf dem Weg zur Kaunergrathütte über das genannte Zitat, brach sich den Arm, schlug sich zwei Zähne aus der Prothese und konnte folglich nicht die vorbereitete Bergandacht halten. Er erklärte weshalb er über dieses ungewöhnlich harte Bibelzitat stolperte, in dem Jesus seinen eigenen Jüngern ihren Glauben abspricht. Seine Predigt handelte von der Möglichkeit, beziehungsweise Unmöglichkeit des Glaubens an Gott und dessen Rolle in der Kirche. Er schloss seine Predigt mit der Feststellung, dass auch der Ungläubige in der Kirche seinen Platz habe, denn der Unglaube sei keine Hinderung der guten Tat der Barmherzigkeit.

Unter dem Eindruck der Predigt ließen wir den Tag an Kaunergrathütte in Ruhe ausklingen und stiegen am folgenden Morgen hinab ins Tal und fuhren zurück nach Mainz.

Unsere Woche in den Alpen stand im Zeichen der Vielfältigkeit des Erlebens in den Bergen. Im Wechsel der Witterung, der Landschaft, der Natur und der Menschen erlebten wir eine ereignisreiche Zeit und freuen uns auf weitere Abendteuer!

Autor: Mayank Sharma